Erzählen ist meine Kunst!

Zuhören wird zum Genuss!

Orpheus und Eurydike

Niemand war dem sangeskundigen Orpheus gleich, dem Apollon selber ein Saitenspiel geschenkt hatte. Wenn Orpheus es zu seinem Gesang ertönen ließ, kamen die Vögel in der Luft, die Fische im Wasser und die Tiere des Waldes herbei, den wundersamen Klängen andächtig zu lauschen, und man sagt, selbst die Bäume und die leblosen Steine wurden von der Zaubergewalt der Töne bewegt.
Eurydike, die holdselige Fluss-Nymphe, war die geliebte Gattin des Sängers. Doch allzu schnell wurde das Glück der Liebenden zerstört. Eines Tages, als Eurydike mit ihren Freundinnen, den Nymphen, am Flussufer spielte, wurde sie von einer giftigen Natter in die Ferse gebissen, und auf der Stelle sank sie sterbend zu Boden.
Orpheus konnte sich vor Schmerz nicht fassen. Vergeblich suchte er Trost in seiner Sangeskunst, vergeblich lockte er aus seinem Saitenspiel die schönsten Töne, so dass alle Wesen der Natur ringsum in sein Wehklagen einstimmten: Weder sein Lied noch sein Gebet brachte die tote Gattin zurück.
Da fasste Orpheus einen Entschluss, den noch kein Mensch vor ihm auszuführen gewagt hatte. In den Tartaros, ins Reich der Schatten, wollte er hinabsteigen und den Herrscher der Unterwelt bitten, ihm die geliebte Gattin zurückzugeben.
Mutig stieg er hinab und schaurig umschwebten ihn die Schatten der Toten, als er die Pforte der Unterwelt hinter sich gelassen hatte. Aber mutig schritt er durch die Schrecken des Totenreichs, bis er vor Hades' Thron stand. Zum Klange der Leier brachte der Sänger seine klagende Bitte vor. Er sang von seiner unendlichen Liebe zu der schönen Gattin und von seinem unermesslichen Schmerz, der stärker sei, als ein Mensch je ertragen könne. Rings um den klagenden Sänger scharten sich die wesenlosen Schatten und – weinten.
Die göttliche Macht des Gesanges überwältigte das finstere Herrscherpaar des Hades. Noch nie war ähnliches im Hades geschehen! Sie winkten Eurydikes Schatten, der sich daraufhin mit unsicheren Schritten ihrem Thron näherte. »Nur weil deine große Liebe uns bewegt«, wandte die Totenkönigin sich an Orpheus, »erfüllen wir deine Bitte. Deine Gattin möge dir in die Oberwelt folgen! Aber wisse: Wenn du auf dem Weg den Blick zu ihr zurückwendest, bevor du das Tor durchschritten hast, so ist sie dir für alle Zeit verloren!«
Schnellen Schrittes machte sich Orpheus auf den Rückweg. Bald jedoch wurde er von Zweifeln ergriffen: Folgte Eurydike wirklich seinen Spuren! Angst und Sehnsucht quälten ihn auf dem schroffen, finsteren Weg. Verzweifelt lauschte er auf den Atemzug der Geliebten und auf ein Rascheln ihres Gewandes. Doch ringsum lastete grässliche Totenstille.
Zuletzt wusste er sich nicht mehr zu bezwingen; von Liebe, Sorge und Angst überwältigt, wandte er sich nach der Geliebten um.
Da stand Eurydike vor ihm, und schaute ihn traurig und zärtlich an. Doch als Orpheus sehnsüchtig die Arme ausbreitete, um die Geliebte an sich zu ziehen, wich sie zurück. In ohnmächtiger Verzweiflung griff Orpheus ins Leere. Nur ein letztes "Lebe Wohl!" hallte noch leise aus der Ferne.
Wie von Sinnen stürzte er den steilen Pfad zurück bis an den Styx, den Fluss, der die Unterwelt durchfließt. Hier gebot Charon, der Fährmann, ihm Halt. Diesmal weigerte er sich, Orpheus über den schwarzen Strom zu fahren. Sieben Tage und sieben Nächte saß Orpheus am Ufer und versuchte, die Unterirdischen durch Bitten und Klagen und flehende Lieder zu neuer Milde zu stimmen. Die Götter blieben unerbittlich.
Orpheus kehrte schuldbeladen in die einsamen Bergwälder von Thrakien zurück. Drei Jahre lebte er dort ganz allein, die Gesellschaft der Menschen verachtend.
Und immer, wenn er traurig seine Lieder sang, rückten selbst die Bäume näher zusammen.


Meine Bitte an all diejenigen, die die Geschichte gelesen haben:

Bitte kreuzen Sie an, was für Sie zutrifft. Danke!

  Einfach schön ...   Die Geschichte berührt mich ...   Die Geschichte amüsiert mich ...   Die Geschichte bringt mich zum Nachdenken ...   Nichts von alledem ...


Vielen Dank für Ihre Abstimmung.


Hier unten können Sie Ihre Gedanken zum Monatsmärchen notieren, WENN Sie mir diese mitteilen möchten. Ihre Gedanken erreichen mich direkt und werden hier auf dieser Seite NICHT sichtbar. Ich freue mich über Ihre Nachricht.


Sie kennen einen Menschen, dem Sie mit Märchen eine Freude machen können?
Erzählen Sie von meiner Märchenpost oder schicken Sie diese einfach weiter!

"Denn das Erzählen lebt davon, dass über das Erzählen erzählt wird!"

Das aktuelle Monatmärchen
können Sie wie gewohnt zum Ausdrucken einfach herunterladen,
indem Sie hier klicken.

Sie haben die Märchenpost noch nicht abonniert?
Das lässt sich ganz einfach ändern:



Und nun wünsche ich Ihnen eine gute Zeit,
bis wir uns vielleicht demnächst (wieder-) sehen.
E-Mail
Anruf
Infos